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LEIDENSCHAFTEN

von Frank Drake

 

 
Wenn man am ersten Montag im April des Jahres 1964 geboren wird, sind die Freizeit-Angebote bei Regen oder im Winter nicht gerade ueberwältigend.
Das Fernsehen hat 3 Programme und beginnt nachmittags um 15.00 Uhr mit “Mein Freund Ben”. Unter diesen Umständen kommt man ohne Umwege zu den Comics. Dank meiner Mutter konnte ich mit 5 Jahren, zwar nicht perfekt, aber doch ganz passabel lesen.
Comics waren zu Hause fast nie ein Problem (nur als ich den “Größten Horror aller Zeiten” haben wollte, biß ich auf Granit), meine Ma hatte es unterstützt und meinem Vater war es egal, solange ich beschäftigt war. Meine ersten Erinnerungen an die bunten Bilder sind Bussy Bär und Fix und Foxi, die sich auf seltsamen Wegen immer bei uns einfanden, obwohl meine Familie sicher kein Geld über hatte.

Ende 1969 hat meine Mutter wieder angefangen zu arbeiten, sie hatte die Haushaltsleitung bei einem stadtbekannten Bauunternehmer übernommen. Heute würde man wohl sagen, seine Ehefrau war überfordert. Auf jeden Fall ging der Job von 07.30 Uhr bis 16.00 Uhr und da ich noch nicht in der Schule und mein zweijähriger Bruder noch zu jung für den Kindergarten war, mussten wir mit - 5 Kilometer mit dem Rad jeden Tag und das Ganze wieder zurück.
Die Familie hatte 4 Kinder, wobei der Älteste mit seinen 14 Jahren mein Idol wurde. Wenn er morgens in der Schule war, konnte ich mich in seinem Zimmer rumtreiben. Dabei bin ich auf Comics gestoßen, die so gar nichts mit Bussy Bär oder Fix und Foxi zu tun hatten. Diese waren zwar nicht in Farbe, aber Leute die sich dehnen oder mit ihrem Ring Dinge entstehen lassen können, waren etwas anderes als meine bekannten Freunde mit dem Fuchsschwanz.
Als ich dann in die Schule musste, wurde es auch mit dem Mitlesen fremder Comics schwieriger. Andreas, so hieß er, wollte mit mir kleinem Furz natürlich nichts zu tun haben, also nur noch nachmittags heimlich Bilderhefte lesen, wenn er nicht da war.

Zu dieser Zeit wurden die Hit und Top Comics (ich hatte rausgefunden, wie die Serie hieß) auch bunt und konnten mit meinem zweiten Favoriten, Superman, auch optisch mithalten.
Wenn meine Kinder mich heute so bearbeiten würden, wie ich das mit meiner Ma gemacht habe, um ein Comic gekauft zu bekommen, würde ich sicher einen anderen Ton anschlagen. Aber einmal pro Woche hatte ich Erfolg und es gab entweder ein Hit Comic oder ein Superman Heft.
Mein Vater hatte mir aus der Kur eine ganzen Stapel Superman Hefte mitgebracht, die auch nicht schlecht waren, aber an die Rächer oder die Fantastischen Vier dann doch nicht heran reichten.
Mein Lieblingsheft war und ist noch immer Hit Rächer Nr. 215. Das Cover war für mich damals schon genial, dazu der Neander-Gelbjacke und die Kree, was Besseres hat es von Marvel nie (wieder) gegeben. Allerdings musste ich auch ziemlich lange auf die Fortsetzung der Story warten.

Weihnachten 1973 war ich krank. (Das war nichts Besonderes, ich habe bis heute das Talent mich im Urlaub, am langen Wochenende oder an Feiertagen mit irgendwelchen Viren anzulegen. Meinen ersten Kindergeburtstag habe ich mit 12 gefeiert, ansonsten die Osterferien überwiegend im Bett verbracht.)
Zwischen den Tagen brachte mir meine Ma Williams Rächer Nr. 1 mit. Es kann sich heute wohl kaum jemand vorstellen, wie sich ein 9jähriger über ein Comic Heft freuen konnte!

Die Begrüßung auf Seite 2 machte das Ganze noch viel spannender und dann die Story selbst...
Ich bin nie wieder von einem Heft so entäuscht gewesen wie an diesem Tag. Was war mit den Helden des letzten Jahres geschehen? Keine Dynamik mehr in den Zeichnungen, das Ganze hätte auch von meiner talentierten Tante gemalt worden sein können. Grausig!!
Aber nicht nur bei den Rächern war Übles passiert, auch die X-Menschen und die Fantastischen Vier waren plötzlich völlig verunstaltet. Die einzige neue Serie die mir gefiel, war Dracula, hier waren die Zeichnungen so, wie sie sein sollten.
Bis auf Dracula habe ich für 2 Jahre die Marvel Welt ignoriert. Erst mit Spinne Nr. 50 bin ich wieder eingestiegen (ich weiß bis heute nicht, wie ich alle Hefte finanziert habe), hatte zwischenzeitlich auch verstanden, warum meine Helden zeitweise so furchtbar aussahen, aber da war es für die meisten von ihnen schon zu spät. Wenigsten konnte ich die Rächer noch einige Ausgaben weiterverfolgen, bis auch sie das Zeitliche segneten.

Auf jeden Fall war die BSV/Williams-Zeit etwas Besonderes. Ich habe mir natürlich die ungeliebten ersten Ausgaben nachgekauft, sogar die Thor-Serie, obwohl ich Kirbys Thor bis heute schrecklich finde. Aber ich mag auch McFarlane nicht, so verschieden sind die Geschmäcker.
Wenn ich heute eine Rangliste meiner Lieblingshelden erstelle, hat sich in den letzten 30 Jahren nicht viel geändert:
 

1.)  

DIE RÄCHER

2.)  

DIE FANTASTISCHEN VIER

3.)  

DIE GRUFT VON GRAF DRACULA

4.)  

X-MENSCHEN

5.)  

DAS MONSTER VON FRANKENSTEIN

6.)  

DIE SPINNE

7.)  

DER UNGLAUBLICHE HULK

8.)  

DER MÄCHTIGE THOR (na gut, der hat ein bißchen aufgeholt)
 
Horror ist von DC, würde aber in einer kompletten Liste Platz 2 belegen. Mit den anderen Serien wie Doktor Strange, dem Eisernen. Grüne Leuchte, Planet der Affen oder auch Kung Fu habe ich mich damals nie anfreunden können. 

Mit dem Ende der Williams-Spinne passierte bei mir dasselbe, wie bei allen Jungs mit 15, die Comicsammlung wurde aufgegeben zugunsten irgendwelcher Mädels, an deren Namen ich mich heute nicht mehr erinnern kann. Warum gibt es dagegen kein Gesetz? Mein Junior ist 12 und ich habe ihm vorsichtshalber schon mal alles von Playmobil abgekauft, bevor seine Hormone durcheinander kommen und er das Piratenschiff gegen Kondome tauscht.
1984 war meine Lehre zu Ende und ich entdeckte trotz wechselnder Liebschaften die Comichefte wieder. Zuerst war es Prinz Eisenherz vom Pollischanky Verlag, dann das komplette Ehapa Programm (außer Disney) und zum Schluss habe ich auch die Taschenbuch-Ausgaben meiner Lieblingshelden gekauft. Das ging bis Anfang der 90er so weiter. Irgendwann nahm das Angebot der Verlage im Albenbereich überhand und als Norbert Hethke dann noch kläglich mit seinem DC-Programm scheiterte, war für mich erst mal Schluß mit Comics kaufen. 

Ich hoffe, ich bin meinem Entschluss nicht Schuld, daß der Albenmarkt damals fast zusammengebrochen ist. Tatsächlich habe ich mir 5 Jahre lang kein einziges Comicheft gekauft, weder auf dem Flohmarkt noch sonstwo. Erst als die ersten Batman Adventures auftauchten, war es wieder soweit. Dino hatte es geschafft, daß ich wieder voller Aufregung auf den Briefträger gewartet habe, um meine Helden in Empfang zu nehmen. Als dann noch Marvel Deutschland nachlegte, war die Welt für mich in Ordnung. Bis 2003 war ich auch ein sogenannter Komplettsammler und habe tatsächlich alles gekauft. Da ich längere Zeit im Ausland war, habe ich dann irgendwann den Faden verloren.

Heute kaufe ich nur Sachen, die mir wirklich gefallen und die ich überblicken kann. Die ganzen Runs über mehrere Monate werden mir einfach zuviel, sei es Civil War oder World War Hulk. Dazu scheint DC ein Copyright für das Wort Crisis beantragt zu haben.
Wenn ich heute ein Bildermärchen Heft oder ein frühes Hit Comic in der Hand halte, ist das Gefühl der Kindheit auch schnell wieder da. Aber das verstehen nur wirkliche Sammler.

Ach so, ich habe mich mittlerweile auch mit dem Donnergott angefreundet, die neue Serie ist wirklich klasse. Allerdings wird das heutige Material nie denselben Stellenwert bei mir erreichen, den die BSV- und Williams-Hefte für mich besitzen.
 
 
Frank Drake, 16.12.2008
 
 

  ARTIKEL © 2008 Frank Drake

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